KATHARINA SCHÜTZ liest Kurzgeschichten von RENATE REISMANN aus dem Erzählband „Landschaftsbildung“
„Das Schlafzimmer der Eltern war der schönste Raum in diesem geduckten Siedlungshaus. Es hatte vom Grün des Gartens brokatglänzende Pracht, Vorhänge, wie Schilf, Teppichläufer, auf denen sirrende Libellen zu ruhen schienen. Eine dreiflügelige Spiegelkonsole, deren Glasplatte mit drei stets leeren Flacons geschmückt war, ruhendes Kristall mit Pompons an den Füßen …
Überall lebte ein versteckter Sommer, die Erinnerung an einen Hochsommer, wie sie ihn hier nicht kannten. Es flirrte hier, bis hin zum Kopfteil des Bettes, die geschlossenen Fensterläden ließen draußen südliche Hitze vermuten. Man stahl sich in diesen Raum hinein, anfangs aus Neugier, später auf der Suche nach Geld. Nur einmal ein echter Diebstahl, Ein Zehnmarkschein und der erste Kauf von Micky-Maus-heftchen, in denen nichts Lesenswertes stand, wie sich herausstellte und lachen konnte man noch nicht.
In dieser verbotenen Stätte lebte etwas Besonderes. Man suchte. Man suchte herauszufinden, was dort so kostbar war. Die strenge Ordnung und Sauberkeit verlieh dem pompösen Brokatgrün eine besondere Weihe. Der dreiflügelige Spiegel warf das Bild des Eindringlings dreifach zurück, man ging schnell vorbei, verharrte einen Augenblick auf dem Bettvorleger, zupfte an der Bettdecke. Ein so schöner feiner Stoff, weich fließend im Gegensatz zu den dichten Vorhängen, auch hier goldenes Grün…“ aus „Unterboden“